(Berlin – 04.11.2019) Mit jedem weiteren Kilogramm Körpergewicht steigt das Risiko für Typ-2-Diabetes. Insbesondere bei einem Body-Mass-Index von über 30 (kg/m2) ist das Risiko sehr hoch. Die Ursache hierfür, so zeigen neuere Studien, könnten Entzündungen im Fettgewebe und eventuell auch im Appetitzentrum des Gehirns sein. Für diese Vorgänge scheinen die genetische Veranlagung, aber auch die Zusammensetzung der Darmbakterien verantwortlich zu sein.

Übergewicht und Diabetes in Deutschland

In Deutschland hat jeder vierte Erwachsene starkes Übergewicht. Fast jeder zehnte Deutsche erkrankt im Laufe seines Lebens an einem Typ-2-Diabetes. Dass zwischen dieser Stoffwechselerkrankung und Übergewicht ein Zusammenhang besteht, steht mittlerweile außer Zweifel. Doch warum erkranken einige Menschen mit Adipositas an Diabetes, andere jedoch nicht?

Entzündungsreaktion im Fettgewebe

„Der Unterschied könnte in einer niederschwelligen Entzündungsreaktion bestehen, zu der es im Fettgewebe kommt“, sagt die Präsidentin der Deutschen Diabetes Gesellschaft Professor Dr. med. Monika Kellerer. Bei einigen Menschen entstünde diese Reaktion, bei anderen bliebe das Fettgewebe „unbehelligt“ und führe zu keinen weiteren Erkrankungsvorgängen.

Im ungünstigen Fall speichern die Fettzellen überschüssige Kalorien, wodurch die Abwehrzellen des Immunsystems aktiviert werden. Zunächst sind Makrophagen, später auch andere Immunzellen wie Lymphozyten nachweisbar. Im weiteren Entzündungsverlauf setzen die Abwehrzellen eine Reihe von Botenstoffen frei, die den Blutzuckerstoffwechsel stören. Das Hormon Insulin, das die Glukose auf die Zellen verteilt, verliert allmählich seine Wirkung. Es kommt zur sogenannten Insulinresistenz. „Wir sprechen auch von einer ‚metabolischen Entzündung‘“, sagt Professor Matthias Laudes, Leiter der Endokrinologie, Diabetologie und klinischen Ernährungsmedizin am Universitätsklinikum Schleswig-Holstein in Kiel, der zu diesem Thema forscht.

Entzündung auch im Hirn – vermindertes Sättigungsgefühl

Anhand von Aufnahmen in der Magnetresonanztomographie (MRT) konnte gezeigt werden, dass es bei einigen Betroffenen auch im Hypothalamus, einem Teil des Zwischenhirns, zu einer Entzündung kommt. „Da sich in diesem wichtigen Steuerzentrum des vegetativen Nervensystems auch das Appetitzentrum befindet, könnte dies vielleicht sogar das verminderte Sättigungsgefühl von Menschen mit starkem Übergewicht erklären“, sagt Prof. Laudes. 

Auch Genvarianten beeinflussen die Entzündungsreaktion im Gehirn. Eine könnte bei der Entstehung der Adipositas beteiligt sein. Prof. Laudes sieht hier einen Zusammenhang mit Leptin – einem Hormon, das die Fettzellen aussenden, um im Gehirn ein Sättigungsgefühl zu erzeugen. Die Entzündung rufe eventuell eine Leptin-Resistenz hervor. „Das würde bedeuten, dass der Sättigungsmechanismus bei Betroffenen nicht funktioniert. Sie essen mehr, bevor sie satt werden.“ Auch ein Mangel an bestimmten Darmbakterien war mit einer vermehrten Entzündungsreaktion im Hypothalamus verbunden.

Neue mögliche Therapiemaßnahmen

„Weitere Studien würden zeigen, ob Probiotika die Entzündungsreaktion im Fettgewebe und im Gehirn und somit einen Diabetes Typ 2 verhindern könnten“, sagt Prof. Laudes. Eine andere entzündungsvorbeugende Therapiemaßnahme könnte darin bestehen, die Botenstoffe der Immunzellen, das so genannte Interleukin 1 oder Interleukin 6, mithilfe von Antikörpern zu hemmen. „Erste Studien zeigen bereits, dass bei Patienten so der Glukosespiegel verbessert wird und dies sogar der vorzeitigen Verkalkung der Blutgefäße vorbeugt“, so Prof. Laudes.

Prävention: Lebensstil und gesundheitspolitische Maßnahmen

Um den Teufelskreis aus falscher Ernährung und krankmachenden Stoffwechselprozessen zu unterbrechen, sind präventive Maßnahmen, die den Lebensstil der Betroffenen hinsichtlich Ernährung und Bewegung verbessern, weiterhin unabdingbar. „Allerdings müssen zudem gesundheitspolitische verhältnispräventive Maßnahmen greifen, die das Umfeld der Betroffenen gesünder machen und ihnen eine Veränderung erleichtern“, sagt Prof. Kellerer. Darunter fallen ökonomische Anreize wie Limo- und Zuckersteuern, die sich seit einigen Jahren weltweit immer mehr durchsetzen und ein verständliches Kennzeichnungssystem von Lebensmitteln wie den NutriScore, den das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft aktuell in Deutschland einführen möchte.

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